„Erst planen, dann bauen“


Professor Burkhard Messerschmidt hat unlängst einen interessanten Artikel zu großen Bauprojekten und den damit verbundenen Problemen veröffentlicht (NZBau 2019, 713). Der Titel: „Was macht eigentlich … … die Reformkommission zum Bau von Großprojekten?“ Wie kann es sein, dass im Land von Ingenieuren, Dichtern und Denkern so viele Großprojekte publikumswirksam scheitern oder gar im Chaos versinken? So oder ähnlich möchte ich jedenfalls die Leitfrage von Messerschmidts Artikel zusammenfassen. Er zitiert die großen Beispiele: Berliner Flughafen, Elbphilharmonie und Stuttgart 21.

 

Und wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis. Oder eine Reformkommission. Letzteres setzte der damalige zuständige Bundesminister dann tatsächlich ein. Es wurde erforscht, warum in der Baupraxis so viel in die sprichwörtliche Grütze geht. In ihrem Abschlussbericht, so Messerschmidt, haben die Mitglieder der Reformkommission insbesondere dafür „plädiert, mit dem Bau … erst nach … lückenlose[r] Ausführungsplanung … zu beginnen … schlagwortartig also: erst planen, dann bauen“.

 

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Sollte das nicht immer so sein? Auf dem Papier und aus der Entfernung sicher. Aber im wahren, echten Leben, da sieht es auch einmal anders aus. Das scheint jedenfalls die Praxis bei Bauprojekten zu beweisen. Aber es gab Hoffnung in Form eines neuen Schlagworts: BIM!

 

BIM, das steht für eine softwaregestützte Bauwerksdatenmodellierung. Im Kern, zumindest wenn ich es richtig verstehe, geht es darum, in allen bzw. für alle Lebensphasen eines Bauwerks möglichst viele Daten zu sammeln und computergestützt sowie zielgerichtet auszuwerten und zu strukturieren. Die Kosten eines Bauvorhabens, mögliche Risiken bei der Realisierung und ein ausgetüftelter Zeitplan, all das soll schon vor dem Baubeginn im Detail vorliegen, bevor dann alle Beteiligten partnerschaftlich ans eigentliche Werk gehen. Falls es dann doch einmal zum Streit kommt, soll dieser primär außergerichtlich gelöst werden: „Bei anschließender, nach den Vorstellungen der Bundesregierung partnerschaftlicher Projektrealisierung aller Beteiligter sei der außergerichtlichen Streitbeilegung besondere Bedeutung beizumessen“.

 

Unter anderen wird hier auch die Mediation genannt und in der Tat scheint eine partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligten vorteilhaft zu sein. Wohl auch dann, wenn einmal etwas vor die Wand läuft und so Meinungsverschiedenheiten und Konflikte ausgelöst werden. Partnerschaftlich heißt in diesem Sinne aber sicher auch, dass gemeinsam nach einer tragfähigen Lösung des Konflikts zu suchen ist. Da Bauvorhaben, zumal eben jene Großprojekte, aber in der Regel sehr teuer sind, geht es oftmals ums Eingemachte und entsprechend wird hier ebenso regelmäßig primär juristischer Beistand gesucht (werden).

 

Leider aber – und damit zurück zum Artikel - lassen sich laut Messerschmidt keine wirklichen Fortschritte im Sinne einer besseren Planung und Realisierung von großen Bauprojekten feststellen. Also wurde im Frühjahr letzten Jahres ein Leitfaden veröffentlicht, der allen Beteiligten nochmals dezidierte Handlungsempfehlungen für die Realisierung solcher Projekte an die Hand gibt. Für die an Großprojekten beteiligten Baujuristen lassen sich aber immerhin „interessante und bedenkenswerte Hinweise für die vertragliche Beratungspraxis“ in diesem Leitfaden finden, so Messerschmidt. Er äußert zudem die Hoffnung, dass sich in spätestens 10 Jahren zeigen wird, ob diese Handlungsempfehlungen auch wirklich zu einer Verbesserung in der Realisierung von Großprojekten geführt haben.

 

Nun werden zehn Jahre gemeinhin als durchaus langer Zeitraum empfunden, Jedenfalls von den meisten Menschen. Bei der Realisierung von Großprojekten aber sind zehn Jahre eher als kleiner Zeitraum zu sehen. Bleibt zu hoffen, dass im Hinblick auf Mediation und außergerichtliche Streitbeilegung in zehn Jahren ebenfalls Bewegung festzustellen ist. Denn eine alleinige Konzentration auf noch bessere Planungsprozesse und noch umfangreichere Softwareunterstützung springt aus meiner Sicht zu kurz. Schließlich gehört zur Software ja auch die entsprechende Hardware in Form von Menschen. Es sind Menschen, die sich in Großprojekten engagieren, diese umsetzen, anpassen und ggf. überarbeiten. Und es sind wiederum ebenjene Menschen, die unterschiedliche Positionen vertreten und unterschiedliche Interessen verfolgen. Und das sicher auch noch in zehn Jahren!