Authentizität und Sauna-Bier


 

Am letzten Wochenende hatte ich die Chance, an einem Seminar bei Deutschlands erster – und nach eigener Aussage auch einziger – Authentizitätsexpertin teilzunehmen. Viola Möbius stellte den Teilnehmern ihr Konzept eines authentischen Lebens vor. Unbequem und mit Ecken kann das sein, darf aber nicht mit Egoismus verwechselt werden! Einer ihrer Lehrsätze lautet ungefähr so: „Wir sind, wofür wir kämpfen!“ Auf der Welt gibt es rund sieben Milliarden Menschen. So unterschiedlich diese Menschen sind, so unterschiedlich sind in weiten Teilen sicher auch die Dinge, für die sie sich einsetzen. Zu kämpfen gibt es also genug!

 

Als Blogger und Mediator denke ich regelmäßig darüber nach, welchem Thema sich mein nächster Blogbeitrag widme. Das ist mein wöchentlicher "Kampf". Mit dem Eindruck des Authentizitätsseminars war aber klar, dass ich etwas darüber schreiben wollte. Vielleicht schwer zu glauben, aber einer der für mich kreativsten Orte, um den nächsten Blogbeitrag einmal grob zu durchdenken, ist die Sauna! Da saß ich also mal wieder am Freitagnachmittag und … dachte nach. Und während ich so da lag, fiel mir eine Episode aus einem Buch ein, das ich vor zehn oder fünfzehn Jahren oder so einmal gelesen hatte. Der Titel: Wie ein Vogel im Aquarium.

 

In diesem Buch schildert der frühere Automobilmanager Daniel Goeudevert ausgewählte Stationen seiner Karriere. In einem der Kapitel beschreibt er dabei die Verhandlungen über ein millionenschweres Investitions-programm mit einem finnischen Unternehmen. Und wo fanden diese Verhandlungen statt? Richtig! In der Sauna! Was für die finnischen Verhandlungsführer völlig normal (authentisch?) zu sein schien, das war für den Franzosen Goeudevert und einen seiner Vorstandskollegen wiederum völlig undenkbar.

 

Das Ergebnis dieser Saunaverhandlungen fiel ent-sprechend aus: Keine Investitionen! Die Franzosen zogen sich an und fuhren (authentisch?) nach Hause. Es trafen augenscheinlich zweierlei Welten aufeinander, die zumindest kurzfristig kaum kompatibel waren. Dabei scheint Goeudevert seinen finnischen Partnern nicht einmal böse Absicht oder gar Berechnung zu unterstellen, denn er beschreibt durchaus, dass die Finnen ein opulentes kaltes Buffet vorbereitet hatten. Aber gut gemeint ist eben nicht immer auch gut gemacht – so würde ich es einmal zusammenfassen wollen! Kann Authentizität also manchmal auch hinderlich sein?

 

Vielleicht. Viola Möbius beschrieb in ihrem Seminar den Authentizitätsbegriff mit den Worten „Authentizität ist Wahrnehmung!“. Die Finnen scheinen also für sich wahrgenommen zu haben, dass eine Verhandlung in der Sauna eine großartige Idee ist. Die Franzosen eher nicht. Beide Seiten scheinen authentisch zu sein. Aber keine großen Kommunikationsgenies!

 

Ich persönlich hätte solch eine Verhandlung in der Sauna außergewöhnlich gefunden, um nicht zu sagen „cool!“ – was aber in einer 90 Grad heißen finnischen Sauna wiederum irgendwie deplatziert gewirkt hätte. Allerdings ignoriere ich auch regelmäßig das ausgeklügelte deutsche Regelwerk zum richtigen Saunieren (authentisch?). Insofern hätte ich auch gegen ein Sauna-Bier nichts einzuwenden – sofern mir meine Wahrnehmung denn sagt, dass mir das nun gut tun würde - womit sich der Kreis zur Überschrift dieses Beitrags schließt.

 

Authentizität ist im Übrigen eher ein Prozess, der Weg selber, und nicht das ultimative Ziel – zumindest wenn ich

Viola Möbius da richtig verstanden habe. Sie meint:

 

„Authentizität macht Spaß!“

 

In diesem Sinne ein herzlich-authentisches: „Prost!“