Immer mal wieder werde ich von meinen Schwiegereltern mit Zeitungsartikeln zum Thema Mediation versorgt. Vielen Dank dafür! Unlängst kam ich so zu einer Themenbeilage des Hamburger Abendblatts, die sich exklusiv der Mediation widmete. Ein Schwerpunkt war wiederum ein Interview, das Peter Lindemann mit dem Mediator und Juristen Burkhard Zaubel führte und das mir, so meine Schwiegereltern, vielleicht beim Verarzten meiner „Patienten“ helfen könnte. Okay – dann Attacke!
Das Wort Patient, so ist übrigens sinngemäß auf Wikipedia zu lesen, wurzelt im Lateinischen und kann als geduldig bzw. aushaltend und ertragend verstanden werden. Ein Patient ist also ein Mensch, der eine Krankheit mehr oder weniger geduldig erträgt und zu deren Heilung einen Arzt konsultiert. Ein Konflikt, um hier den Bogen zur Mediation zu schlagen, kann schon gehörig auf den Magen schlagen. Aber kaum jemand konsultiert in Deutschland einen Mediator zu dessen Heilung bzw. Lösung.
Eine seltsame Konstellation, zumal die Erfolgsquote einer Mediation laut Zaubel bei rund 80 Prozent liegt. Der Jurist und Mediator Zaubel gibt zunächst zu bedenken, dass nicht alle Sachlagen für eine Mediation geeignet sind. Auch ohne konkrete Beispiele zu benennen, scheint dieses Statement einsichtig. Zaubel kommt sogleich auf einen wesentlichen Kern dieser Zurückhaltung: „Außerdem geht es bei den streitenden Parteien nicht ohne die Bereitschaft zur Mediation, sonst ist das Verfahren aussichtlos“. Deutschland also ein Land der Zauderer und Bedenkenträger?
Immerhin ist die Mediation aber nicht zuletzt aufgrund des Mediationsgesetzes nun seit einigen Jahren fester Bestandteil des Rechtssystems der Bundesrepublik. Dennoch werde aber das Potenzial der Mediation nicht ansatzweise genutzt, so der Mediationsprofi Zaubel, da beispielsweise die Chancen einer gerichtsnahen Mediation häufig vertan werden. Zwar gibt es seit einiger Zeit Güterichter an deutschen Gerichten, diesen würde aber viel zu wenig Zeit für die wirkliche Lösung einzelner Konflikte zugestanden. Nur rund vier Stunden pro Fall und Richter sollen es sein. Daraus leitet Zaubel auch seine Forderung ab, wonach freie Mediatoren an dieser Stelle sehr hilfreich sein und Güterichter entlasten könnten!
Ich komme an dieser Stelle jedenfalls zu der Einsicht, dass Güterichter ihre Aufgabe notgedrungen eher als Beruf und weniger als Berufung erfahren können. Oder dürfen! Grundsätzlich unterstützenswert scheint mir jedenfalls die Idee einer Änderung der Zivilprozessordnung. Zaubel schlägt vor, dass Anwälte ihren Mandanten zwingend über alternative Formen der Konfliktlösung informieren müssen. Fraglich ist aus meiner Sicht allerdings, ob dies nicht wieder nur ein Feigenblatt werden würde. Motto: „Unterschreiben Sie mal hier schnell dafür, dass ich Sie über Mediation und Schlichtung informiert habe“. Machen das Banken und Anlageberater in Ihren Beratungsprotokollen nicht ähnlich („Ist Pflicht... Europa. Sie wissen schon..!“)?
Denkt man es zu Ende, dann helfen gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen kaum weiter. Was wirklich fehlt, das ist die Akzeptanz der Mediation in Gesellschaft und Wirtschaft als schnelles und effektives Mittel der Konfliktlösung. Die zentrale Frage lautet aus meiner Sicht also: „Wie sorgt man für die Akzeptanz der Mediation?“
Mit Werbekampagnen? Warum nicht! Denken wir nur einmal an die HIV-Kampagnen der 1980er Jahre oder die Anti-Raucherkampagnen in TV und Printmedien. Haben die nicht allesamt nach einigen Jahren Anlauf für entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung gesorgt? Teuer? Sicher! Aber im Endergebnis auch erfolgreich! Im Übrigen wurden damit aber wesentlich höhere Folgekosten im Gesundheitswesen vermieden – von der Vermeidung viel menschlichen Leids einmal ganz abgesehen! Schon aus ökonomischen Gründen also eine sinnvolle Investition. Wieso sollte sich das nicht auch auf Bereiche außerhalb des Gesundheitswesens übertragen lassen?