Ist es für die streitenden Parteien sinnvoll, sich für einen speziellen Streitfall an einen auf diesem Gebiet spezialisierten Mediator zu wenden? Oder anders formuliert, müssten nicht alle Mediatoren auf nahezu allen Gebieten tätig werden können? Schließlich ist die Ausbildung zum Mediator ja nicht fachspezifisch. Zumindest in der Regel nicht. Mediatoren werden vielmehr als Generalisten ausgebildet und sollten also zumindest theoretisch bei allen Streitigkeiten unterstützen können. Richtig?
Gute Frage, aber einmal der Reihe nach. Wozu gibt es überhaupt Spezialisten? Spezialisten werden immer dann gefragt oder benötigt, wenn ein bestimmtes Fachgebiet soweit zergliedert, unübersichtlich und unüberschaubar ist, dass ein einzelner Mensch dieses unmöglich vollumfänglich erfassen und beherrschen kann. Aus diesem Grund gibt es schließlich Fachärzte, Fachanwälte, Fachgutachter, Fachjournalisten und dergleichen mehr. Auf ihrem speziellen Gebiet, in ihrer jeweiligen Nische, sind diese Koryphäen also zu Hause. Hier kennen sie sich aus, hier macht ihnen niemand etwas vor.
Spezialisierung meint regelmäßig allerdings auch, dass der jeweilige Fachmann auf seinem Gebiet Gefahr läuft, das Auge für die Zusammenhänge, also für das große Ganze, zu verlieren. Schließlich:
„Wer als Werkzeug nur einen Hammer zur Verfügung hat, der sieht in jedem Problem einen Nagel!“
Also besser keinen "Spezialisten" einschalten? Die Antwort ist nicht einfach und hängt, wie so oft im Leben, vom Einzelfall ab. Ich denke, dass Mediatoren zwar grundsätzlich eine Ausbildung als Generalist absolviert haben, entsprechend also auf allen Gebieten ebenso grundsätzlich zu einer Lösung des jeweiligen Konflikts beitragen können.
Ich denke aber auch, dass Mediatoren sich nicht von ungefähr oft auf einige wenige Spezialthemen fokussieren, also beispielsweise die Mediation von Bauprojekten oder aber die Unterstützung von Startups. Dies spiegelt sicher persönliche Interessen und Präferenzen, bisherige berufliche oder persönliche Erfahrungen wider. Es kann daher Sinn machen, bei der Suche nach einem Mediator die jeweilige Spezialisierung in die Auswahl einzubeziehen. Im Übrigen hat natürlich auch jede Mediatorin und jeder Mediator das Recht, einen ihr bzw. ihm angetragenen Auftrag für eine Mediation abzulehnen, wenn dieser beispielsweise nicht in das Interessengebiet des Mediators passt.
Aber alles zurück auf Anfang. Ist es nun sinnvoll, einen Spezialisten als Mediator auszusuchen? Jemanden also, der bzw. die sich auf wenige ausgewählte Gebiete der Mediation spezialisiert hat? Ich denke, dass dies grundsätzlich eine sinnvolle Herangehensweise ist, je spezieller wiederum die jeweilige Konfliktlage ist. Man muss sich allerdings immer wieder bewusst machen, dass der Einsatz eines solchen Spezialisten immer auch die Gefahr birgt, dass die Optionen zur Konfliktlösung unter Umständen eingeübten Mustern folgen. In anderem Zusammenhang wird dieser Aspekt gerne als „Betriebsblindheit“ beschrieben.
Aus meiner Sicht ist hier allerdings primär der Mediator gefragt. Er muss laufend für sich hinterfragen, ob seine Arbeit und seine Herangehensweise den Interessen der Medianden tatsächlich bestmöglich dient. Ist dies gegeben, kann die Beauftragung eines solchen spezialisierten Mediators ein großer Gewinn für die Medianden darstellen. Letztlich sollten die Medianden aber auch ihr Bauchgefühl befragen. Passt es?