Wie oder womit verbessern Mediatoren ihre Fähigkeiten und Kenntnisse im Themenfeld der Mediation? Patrick Russel, Mediator aus den USA, richtete diese Frage unlängst im Rahmen einer online-Diskussionsgruppe an seine amerikanischen Kollegen. Vier von zunächst sieben Antworten gaben ein Buch als Antwort. Titel: Getting to Yes! Das Buch ist sicher mehr als nur ein Klassiker. Es wird allenthalben als das Standardwerk einer strukturierten, sachbezogenen und an den Interessen der beteiligen Parteien orientierten Verhandlungsführung beschrieben.
Geschrieben wurde es wiederum in den frühen 1980er Jahren („Das Harvard-Konzept“ ist der Titel der deutschsprachigen Ausgabe) von William Ury und Roger Fisher. Fisher, ein vor wenigen Jahren verstorbener Juraprofessor der Harvard-Universität, und sein Kollege Ury entwickeln in diesem Buch einen alternativen Verhandlungsansatz. Alternativ zu was? Alternativ zu den klassischen Verhandlungsmustern, die sich primär auf einen Austausch von Positionen und allenfalls auf eine Unterscheidung von weichen und harten Verhandlungs-spielen oder -rollen stützen.
Fisher und Ury beschreiben ihren Ansatz als principled negotiation bzw. als sachbezogenes Verhandeln. Eine Methode, die an die Stelle eines Feilschens um Positionen ein sachbezogenes Verhandeln setzt. Statt (klassisch) lediglich eine harte oder weiche Verhandlungsführung zu verfolgen, wird auf eine Veränderung des gesamten „Spiels“ gesetzt. Ohne nun in die Details dieses sachbezogenen Verhandelns einzusteigen, stellt sich aber doch folgende Frage:
Was hat Verhandeln eigentlich mit Mediation zu tun?
Die Antwort lässt sich in zwei Wörtern zusammenfassen: Leben und Interessen!
Verhandlungen, so lautet die einführende These der beiden Autoren, sind nämlich ein elementarer Bestandteil unseres Lebens. Wir Menschen verhandeln an jedem Tag unseres Lebens mit anderen Menschen. Sei es, dass wir mit unserem Partner über Freizeitaktivitäten verhandeln (Kino oder Konzert?), beim Chef eine Gehaltserhöhung ansprechen oder schlicht mit den Kindern über ihr Mittagessen „verhandeln“ (Pommes nur mit Gemüse!). Unsere jeweiligen Interessen stehen wiederum hinter diesen Verhandlungen. Der Ansatz von Fisher und Ury stellt entsprechend nicht auf Positionen ab (Frage: Wo, wann und was will ich von dir haben?), sondern auf die dahinterliegenden Interessen (Frage: Warum?).
Interessen sind es auch, die in der Mediation beleuchtet werden. Hier schließt also sich der Kreis. Das Herausarbeiten und „Verhandeln“ über ihre jeweiligen Interessen ebnet den Medianden den Weg zur Lösung ihres Konflikts. Ein Mediator wird alles daran setzen, dass die Medianden die Interessen in den Mittelpunkt ihres Konflikts stellen, und nicht nur ihre bloßen Positionen. Getting to Yes - also!