Evaluierung des Mediationsgesetzes (II).


Mediation: Keine Erfolgsgarantie – aber die Chance einer Möglichkeit!

 

Im Evaluationsbericht zum Mediationsgesetz ist zu lesen, dass „die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktbeilegung durch Mediation bei ca. 50% [liegt]“. Damit liegt es nun also auch einmal mehr im Auge des Betrachters, ob das sprichwörtliche Glas halb voll oder aber halb leer ist. Immerhin werden die entsprechenden Mediations-verfahren in rund drei von vier Fällen mit einer Abschlussvereinbarung beendet. Dies muss aber, wie der Bericht sofort einschränkt, nicht unbedingt bedeuten, dass der Konflikt damit auch tatsächlich beendet ist.

 

Es gibt also eine Lücke zwischen dem formalen Abschluss einer Mediationsvereinbarung und dem tatsächlichen Erfolg einer Mediation im Sinne einer Konfliktbeilegung. Die Existenz dieser Lücke kann zunächst damit erklärt werden, dass die Mediationsvereinbarung, die zwischen den Medianden geschlossen wird, eigentlich nur ein formaler Schlusspunkt der Mediation ist und sein kann. Ob und wie diese dann auch tatsächlich gelebt wir, das steht naturgemäß auf einem ganz anderen Blatt.

 

Im Grunde, so meine ich, kann diese Vereinbarung auch beinhalten, dass man zu keiner Einigung gekommen ist. Also: „We agree to disagree“! Aber immerhin ist dies ein Ergebnis. Es wird festgestellt, dass es am Ende des Tages wichtige Punkte gibt, über die noch immer keine Einigkeit besteht und für die ggf. auf anderen Wegen eine „Lösung“ gefunden werden muss. Alternativ arrangieren sich die Parteien mit einem bestimmten Aspekt des Konflikts, ohne dass der Konflikt selber damit tatsächlich gelöst ist. Man geht sich also beispielsweise aus dem Weg und vermeidet so, dass aus einem kalten Konflikt ein heißer wird.

 

Wirklich kompliziert wird es dagegen, wenn offensichtlich nicht einmal die grundlegendste Basis für einen Austausch zwischen den Parteien gefunden werden konnte. Also:

 

“We didn't reach an agreement,

we didn't even agree to disagree!”

 

– so beschrieb ein früherer griechischer Finanzminister das Ergebnis seiner Zusammenkunft mit seinem deutschen Kollegen. Man war also zu keiner Vereinbarung gekommen und ist darüber hinaus noch nicht einmal einer Meinung, dass man nicht einer Meinung ist.

 

Hier bietet der bereits oben zitierte Evaluationsbericht hinsichtlich des Erfolgs einer Mediation immerhin den Erklärungsansatz an, dass Haltung und kommunikative Fähigkeiten des Mediators sowie eine gewisse Flexibilität im Mediationsverfahren als wesentliche Erfolgs-voraussetzungen einer Mediation angesehen werden können. Wird ein Mediationsverfahren von den Konfliktparteien tatsächlich mit Ernsthaftigkeit betrieben, muss es also nicht als Alibi herhalten, so sind im Falle kommunikativer Blockaden zwischen den Parteien der Mediator und insbesondere dessen kommunikative Fähigkeiten gefragt. Ohne dabei tatsächlich für das Ergebnis der Mediation verantwortlich zu sein, denn das sind bekanntlich ausschließlich die Konfliktparteien, wird die Rolle des Mediators im Mediationsgeschehen damit gewissermaßen aufgewertet. Zum Erfolg einer Mediation trägt dabei auch ein gewisses Maß an Flexibilität bei, denn ein „schulmäßiges Verfahren“ so ist ebenfalls zu lesen, „funktioniert in der Praxis nicht oder nur höchst selten“.

 

Adrian Schweizer, Coach und Mediator aus der Schweiz, stellt zudem die grundlegende Forderung nach der – wie er es nennt – Nachhaltigkeit der gefundenen Konfliktlösung auf. Im Sinne einer langlebigen und echten Konfliktlösung muss die gefundene Vereinbarung die Interessen aller Konfliktparteien berücksichtigen, keine der Parteien benachteiligen oder bevorzugen. Kurz: Alle beteiligten Parteien müssen sich wohl in ihrer Haut fühlen und der Lösung vorbehaltlos (nachhaltig) zustimmen können. Sie muss zudem praktikabel sein und auch tatsächlich gelebt werden. Dem ist sicher nicht zu widersprechen.  

 

Zurück zur eingangs erwähnten 50-prozentigen Erfolgswahrscheinlichkeit einer Mediation. Ist das viel? Ich denke, dass eine Erfolgsquote von 50 Prozent tatsächlich einen Erfolg darstellt. In Anbetracht des „Risikos“ einer gescheiterten Mediation ist mindestens der Versuch einer Konfliktlösung per Mediation gerechtfertigt. Die Kosten für die Medianden sind überschaubar. Zudem kann die Mediation als zusätzliche „Eskalationsstufe“ einen wichtigen Betrag dazu leisten, dass Konflikte nicht kosten- und zeitintensiv vor Gericht ausgetragen werden und am Ende womöglich ein für alle Seiten unbefriedigendes Ergebnis steht. Eine Konfliktlösung im wirklichen Sinne des Wortes wird es vor einem Richter sowieso kaum geben können. Am Ende eines Gerichtsverfahrens steht allenfalls ein Urteil. Eine Seite gewinnt, die andere verliert. Der eigentliche Konflikt ist damit allerdings nicht gelöst.

 

Meine Devise im Hinblick auf die 50/50-Chance einer Mediation:

 

„Ich denke gerne an die Chance einer Möglichkeit!“

(Mr. Spock)